Bürgermeisterkandidaten im Interview: Florian Schneider (47, SPD) über HBB und die künftige Rolle von Hans Steindl (PNP-Artikel)

"Die Karten sind neu gemischt"

Sollte er es ins Bürgermeisteramt schaffen, will Florian Schneider seinen Parteikollegen Hans Steindl zwar ab und an um Rat fragen, dass dieser aber einen offizielle Posten innehaben wird, scheidet aus Sicht Schneiders aus. − Foto: Kleiner

Sie haben zuletzt mit dem Slogan "Realistische Politik statt Luftschlösser" geworben. Was ist so schlimm daran, wenn ein Kandidat auch mal über das vermeintlich Unmögliche nachdenkt?


 

Schneider: Daran ist gar nichts schlimm. Es ist nur aus meiner Sicht der bessere Weg, die Geschichten ganz zu erzählen und bei den Ideen, die weit in die Zukunft reichen, auch klarzumachen, ob sie finanzierbar sind und ob es echte Lösungen sind. Und da habe ich bei manchen Ideen wie einem Bahngleisbau durch den Bannwald oder einem Tunnel durch den Burgberg Schwierigkeiten. Das halte ich für utopisch und keinen guten Ansatz.


Thema Nummer 1 im Wahlkampf ist das Salzachzentrum. HBB hat zuletzt nochmals klargestellt, dass ohne ihre Zustimmung nichts passieren wird. Wie wollen Sie den Hamburgern entgegenkommen, nachdem Sie bereits durchblicken haben lassen, dass Sie vom Konzept einer Einkaufsmall nicht allzu viel halten.


 

Schneider: Ich bin überzeugt, es geht nur gemeinsam. Und gemeinsam bedeutet, nicht nur die Stadt kommt HBB entgegen, sondern HBB kommt auch der Stadt entgegen. Das Konzept einer Shoppingmall ist nicht mein Favorit, aber natürlich besteht für dieses Konzept unter bestimmten Voraussetzungen Baurecht. Diese einstimmige Entscheidung des Stadtrats gibt es ja.


Konkrete Vorschläge, wie HBB der Stadt entgegenkommen soll?


 

Schneider: Letzten Endes geht es ums Geld. Und darum, dass für die Stadt etwas Vernünftiges rauskommt, etwas, das Lebensqualität schafft und das den Einzelhandel und die Gastronomie stärkt. Meiner Meinung nach wäre das eine Mischnutzung des Grundstücks. HBB hat eine Baugenehmigung und könnte sofort anfangen. Da spricht auch überhaupt nichts dagegen. Wir sind hier wieder bei der Frage des Geldes: Wie viel Geld will die Stadt reinstecken? Wie viel Geld kann sich die Stadt leisten, reinzustecken? Bislang ging es immer um eine Summe zwischen 20 und 25 Millionen Euro, mit der das HBB-Konzept über verschiedene Wege unterstützt worden wäre, etwa über die Tiefgarage, Planungskosten und Marketingzuschüsse. Man muss drüber reden, wie viel Geld künftig noch zur Verfügung steht.


Ein Automatismus bezüglich der städtischen Beteiligung besteht für Sie also nicht?


 

Schneider: Für mich sind die Karten neu gemischt. Auch ist die finanzielle Situation der Stadt eine andere. Darum muss man neu verhandeln.


Ihr Konkurrent Klaus Schultheiß favorisiert ein Seniorenheim auf der Einkaufsmall. Sie sind dagegen, haben in der Vergangenheit den Standort Napoleonshöhe verteidigt, aber jüngst auch Alternativen in der Neustadt nicht ausgeschlossen.


 

Schneider: An städtischen Grundstücken könnte ich mir in der Neustadt die ehemalige Schreinerei Kraus in der Della-Croce-Straße vorstellen. Grundsätzlich auch die große Freifläche direkt neben dem AWO-Heim, wobei das kein städtisches Grundstück ist und es dahingehend bislang auch keinerlei Gespräche gibt. Man kann verschiedenste Ansichten vertreten, aber die Option auf einem Einkaufszentrum ist für mich keine Option. Sich in Abhängigkeit eines Investors zu begeben und an diesen gebunden zu sein, halte ich für falsch. Was wir bräuchten, ist eine Planung für die Neustadt, um sie der bestehenden Planung für die Napoleonshöhe gegenüberzustellen und dann über den Nutzen, aber auch über die Kosten reden zu können.

 

Kritiker des Standorts Napoleonshöhe bemängeln die Lage abseits des öffentlichen Lebens, in direkter Nachbarschaft zum Friedhof.


 

Schneider: Ich sehe das anders. Ich sehe ein Pflegeheim als Chance, das Viertel Napoleonshöhe zu öffnen und Frequenz in beide Richtungen reinzubekommen. Vorteil des Standorts wären der große Garten und die Natur. Ich sehe den Friedhof auch in keiner Weise zynisch oder makaber, sondern als für viele Menschen wichtigen Anlaufpunkt. Mir wäre es neu, dass so eine Lage in Neuötting oder Trostberg, wo die Heime direkt neben Friedhöfen liegen, in irgendeiner Weise Thema wäre. Das ist für mich vielmehr ein vorgeschobenes Argument. Wenn man dort einen Anlaufpunkt wie ein Café hätte oder vielleicht auch Veranstaltungen abhält und die Pfarrei sowie verschiedene Gruppen einbindet, wäre das eine alles andere als ungeeignete Gegend. Gut gegeben ist auch die Anbindung mit dem Citybus. Man kann es natürlich anders sehen, kann die Neustadt für den besseren Standort halten. Aber das muss halt abgewogen werden, auch unter dem Gesichtspunkt, wie schnell etwas realisiert und mit Zuschüssen gefördert werden kann. Hier hat die Napoleonshöhe eindeutig Vorteile.


Beim Citybus wollen Sie die Taktung auf 20 Minuten verkürzen. Braucht es auch neue Linien?


 

Schneider: Nicht zwangsweise. Auszuprobieren wäre ein Busbedarfsverkehr, etwa Richtung Krankenhaus. Überprüfen muss man auch den Anschluss ans neue Baugebiet in der Burgkirchener Straße, etwa in Bezug auf frühere Fahrtzeiten für die Schulkinder. Wobei es zu beobachten gilt, ob die Angebote dann auch angenommen werden.


Sie haben einen etappenweise kostenlosen Citybus ins Gespräch gebracht. Meinen Sie damit die Beibehaltung des kostenlosen Angebots an den Wochenenden, oder wollen Sie das gesamte Angebot kostenfrei gestalten?


 

Schneider: Wenn ich mich entscheiden müsste zwischen besserer Taktung und kostenlosem Citybus, dann würde ich mich für die bessere Taktung entscheiden. Das ist der wichtigere Ansatzpunkt. Ich denke aber schon, dass der Bus in ein paar Jahren komplett kostenfrei werden könnte.


Und im Gegenzug zum Teil über Parkgebühren finanziert?


 

Schneider: Ja.


Oberirdisch wie unterirdisch?


 

Schneider: Ja. Parkgebühren machen nur Sinn, wenn man eine Gesamtlösung hat, auch für die Anwohner mit entsprechenden kostenfreien Anwohnerzonen. Nur ein einzelnes Viertel rauszuziehen, würde nicht funktionieren. Es braucht eine Lösung für die gesamte Stadt. Das bedeutet nicht, dass künftig überall gezahlt werden muss. Und es bedeutet auch nicht, dass ab der ersten Minute gezahlt werden muss. So ab 90 Minuten käme für mich als gefühlte Größe in Frage.


Das drängendste Parkproblem zeigt sich in der Altstadt. Dennoch halten Sie den Bau eines Parkhauses für überflüssig, und das nicht nur in der Zaglau, sondern auch am Finanzamts-Parkplatz. Glauben Sie, dass sich das Thema rein über den Citybus lösen lässt?


 

Schneider: Nein, das glaube ich nicht. In manchem muss man umdenken und bei manchen Veranstaltungen wird man immer zu wenig Parkplätze haben, egal, wie viel man baut. Verschiedenes lässt sich über einen Pendelverkehr vom Platz an der Messehalle und bei Veranstaltungen mit dem Kulturbus regeln. Hinzu kommt aber auch, dass in der Tiefgarage immer ein Teil der rund 85 Anwohnerparkplätze frei ist. Wenn man die Autos geschickter verteilen und das Vorhandene besser nutzen würde, hätte das einen nennenswerten Effekt.


Einen Fokus in Ihrem Programm legen Sie auf die Entwicklung der Marktler Straße und der Robert-Koch-Straße. Wo gibt es konkrete Änderungspläne?

 

Schneider: In der Robert-Koch-Straße muss etwas beim Thema Radweg passieren und das auch an Stellen, an denen bislang in diese Richtung gar nichts vorhanden ist, etwa zwischen Lindacher Platz und der Kreuzung Unghauser Straße. Und in der Marktler Straße müssen wir uns die Parkplätze und die Gehwege ansehen. Das ist in die Jahre gekommen, nicht mehr attraktiv und muss modernisiert werden. Auch täte der Neustadt eine grüne Achse gut, idealerweise vom Bahnhof über das Salzachzentrum, durch die Pettenkoferstraße in den Stadtpark rein bis letztlich zum Wöhrsee runter.


Wie sieht es im Bereich zwischen der Abzweigung Berchtesgadener Straße und der Glöcklhofer-Kreuzung aus − optisch nicht gerade ein Aushängeschild für die Stadt.


 

Schneider: Nachdenken lässt sich sicherlich über die beiden Gebäude, die der Stadt gehören, Richtung Zellbeck. Auch beim Kammergruber-Grundstück könnte man Akzente setzen und eine attraktive Bebauung mit Mischnutzung schaffen.

In Zusammenhang mit der finanziellen Lage der Stadt steht nicht nur die Einführung von Parkgebühren zur Debatte, sondern auch die Aufhebung der Kostenfreiheit bei den Krippen- und Kindergartengebühren.
Schneider: Es muss diskutiert werden, aber meiner Meinung nach sollte der Kindergarten frei bleiben. Für die Krippen braucht es verträgliche Gebühren. Dort gibt es seit 1. Januar eine zusätzliche staatliche Förderung, in deren Rahmen Eltern bis zu gewissen Einkommensgrenzen 100 Euro Zuschuss pro Monat erhalten. Wenn man das mit einkalkuliert, lässt sich da mit Sicherheit eine sehr verträgliche Lösung finden.


Und wie sieht es mit einer Erhöhung der Hallenbadgebühren aus?


 

Schneider: Da müssen wir tatsächlich mit den Preisen raufgehen. Die Dachsanierung steht an, das wird eine größere Baustelle.


Eine vergleichsweise geringe Rolle in Ihrem Programm spielt die Frage der Weiterentwicklung des Industriestandorts. Wie wollen Sie hier unterstützen?


 

Schneider: Der Industriestandort spielt natürlich eine entscheidende Rolle, aber da muss unterteilt werden. Zum einen braucht es politischen Einsatz, den die Stadt leisten muss, der aber selbst nicht die Veränderung bringen wird, etwa bei den Strompreisen und bei großen Infrastrukturprojekten. Und zum anderen müssen wir viel für die Akquise von Fachkräften tun, hohe Lebensqualität bieten, Wohnraum zur Verfügung stellen und die Kinderbetreuung und Bildung sicherstellen. Es gilt, Standortfaktoren herauszustellen, vom Kindergarten bis zur Hochschule, vom Kulturangebot bis zur Sportstadt, von der Naturnähe bis zur Aufenthaltsqualität. Dazu kommen konkrete Projekte. Beim Güterterminal etwa wird ein Teil zu elektrifizieren sein. Und natürlich werde ich auch alles unterstützen, was einen sinnvollen weiteren Ausbau der Industrie angeht.


Mehrfach betont haben Sie, dass es unter Ihnen keinen "Schattenbürgermeister" geben wird. Jetzt mal ehrlich: Glauben Sie ernsthaft, dass sich ein Hans Steindl von heute auf morgen aus der Stadtpolitik raushält?


 

Schneider: Ja.

Ich finde es gut, dass Hans Steindl im Kreistag die Burghauser Interessen vertritt und auch weiterhin vertreten will. Was aber die Stadtpolitik angeht, bin ich froh, dass er nicht mehr für den Stadtrat kandidiert. Das wäre ein schlechtes Zeichen. Nach 30 Jahren im Bürgermeisteramt könnte ich mir nur schwer vorstellen, dass das vernünftig funktionieren würde. Es wird einen neu gewählten Bürgermeister geben. Mit einem eigenen Team und eigener Gestaltung. Und ich denke, jeder tut gut daran, sich nicht dreinreden zu lassen. Deswegen: Im Kreistag ja, in der Stadtpolitik nein.


Aber zumindest Posten wie einem Kultur- oder Sportbeauftragten gegenüber scheint Hans Steindl nicht ganz abgeneigt zu sein. Denkbar wären auch Aufsichtsratsposten in den Stadtgesellschaften.


 

Schneider: Letzten Endes wird es eine Entscheidung des Stadtrates sein. Aber ich kann es mir nicht vorstellen. Natürlich ist es denkbar, dass ich ihn mal um Rat frage. Aber eine Funktion als Sport- und Kulturreferent oder auch als Aufsichtsrat scheidet für mich aus.


Ihnen selbst liegt bekanntlich die Kultur besonders am Herzen. Das bisherige Angebot ist vielfältig, wirkt mitunter aber etwas elitär.


 

Schneider: Ich empfinde es nicht als elitär. Ich empfinde es als vielfältig. Für mich ist Kultur nicht nur das Meisterkonzert, sondern zum Beispiel genauso das Cabaret des Grauens, welches überhaupt nicht elitär ist. Kultur ist für mich, dass man über die Kunst Menschen zusammenbringt und dazu anregt, nachzudenken. Ich halte Vielfalt für gut und ich halte es für gut, wenn Punkte miteinander verknüpft werden, etwa eine Ausstellung in St. Josef mit einem Konzert der Musikschule, oder auch das Jugendbüro und Kafkas "Prozess" als Theaterstück. Das sind Sachen, die einen großen Reiz haben und die auch noch forciert werden können. Gleichzeitig soll es aber auch Angebote wie die Jazzwoche geben.


Früher gab es ein deutlich stärkeres alternatives Musikangebot für die jüngere Generation, es gab das Protone-Festival und regelmäßige Konzerte in diese Richtung. Das ist weitgehend aus Burghausen verschwunden.

 


Schneider: Da gibt es zu wenig, ja, da könnte tatsächlich mehr getan werden. Es kommt immerhin wieder etwas hoch, im Freizeitheim etwa. Auch im Jugendzentrum gibt es eine Chance, das verstärkt aufzuziehen. Ich finde auch den jüngsten Ansatz für ein Festival mit jungen Bands gut und halte das für absolut ausbaufähig.


Sehen Sie auf der anderen Seite irgendwo im kulturellen Bereich Kürzungsbedarf?


 

Schneider: Nein, eigentlich nicht. Und sollte es doch mal notwendig werden, müssen wir darüber nachdenken, ob tatsächlich jedes Festival jedes Jahr veranstaltet werden muss oder ob es Sinn macht, auch mal in einen zweijährigen Turnus zu wechseln.


Sie reden von Raitenhaslach?


 

Schneider: Ja, zum Beispiel von Raitenhaslach. Sicherlich nicht von einer Jazzwoche. Es kann auch darüber nachgedacht werden, ob es reine Zukaufveranstaltungen wie ein Adventssingen im Stadtsaal braucht oder ob es dafür nicht auch heimische Angebote gäbe. Bei den Laientheatern oder Künstlergruppen darf jedenfalls nicht gespart werden.


Angenommen, Sie schaffen es ins Bürgermeisteramt: Wie schwierig wird es für Sie und Ihre Partei? Im Vergleich zu 2014 wird die SPD wohl Federn lassen müssen.


 

Schneider: Ich habe hervorragende Stadtratskandidaten und wir möchten die stärkste Fraktion bleiben. Auf jeden Fall wird der Stadtrat bunter durchgemischt sein. Eine der Hauptaufgaben des neuen Bürgermeisters wird sicherlich sein, die Leute zusammenzubringen. Es geht nicht darum, Parteipolitik zu machen, sondern Politik für Burghausen und Politik mit allen. Es soll keine Gräben geben.


Auch nicht mit der AfD? Deren Einzug in den Stadtrat ist zumindest nicht unwahrscheinlich.


 

Schneider: Ich kenne von der AfD bislang keinen einzigen vernünftigen Ansatz für Burghausen. Ich weiß nicht, was kommen wird, allerdings kann ich mir nur schwer vorstellen, wie man das gut und gemeinsam hinbekommen soll. Wenn jemand in den Stadtrat gewählt wird, dann ist das natürlich zu respektieren. Aber auch hier gilt, dass Kommunalpolitik zu machen ist und nicht ideologische Politik. Und eine Bürgermeisterkandidatin aufzustellen, die nichts mit Burghausen zu tun hat, ist für mich nicht Kommunalpolitik.


Interview: Christoph Kleiner

Kommentar schreiben

Kommentare: 0